Szenarien für Europas Wirtschaft
Im Herbst werden sich die EU-Staatschefs darauf einigen, keine Bürgschaften für europäische Investitionen in China mehr zu geben und den Import chinesischer Klimatechnologien mit höheren Zöllen zu belegen. Der Grund: Chinas Waffenlieferungen an Moskau. Im Gegenzug entscheidet die KP Chinas in den nächsten 24 Monaten europäische Produktionsstandorte in China zu verstaatlichen. Unbekannten Tätern gelingt es, die norwegische Gasinfrastruktur so sehr zu beschädigen, dass auf Monate das europäische Festland von norwegischem Gas abgeschnitten ist. 30% der Gaslieferungen Deutschlands fallen über Nacht weg. Der ungarische Präsident Viktor Orbán ließ eine Bombe platzen. Er kündigte Neuwahlen für 2024 an und versprach, bei seiner Wiederwahl Ungarn aus der EU und NATO herauszuführen… Wir geben zu: das ist alles ausgedacht. Aber ist es möglich? Oder gar wahrscheinlich? Und was macht das mit Ihrem Unternehmen? Haben Sie in China oder Ungarn investiert? Sind sie vorbereitet auf einen nochmaligen Gaspreisschock? Oder auf politische Unruhen in der EU?
Eine Expertin unseres Studienprojekts „Europas Wirtschaft in einer neuen Weltordnung“ sagte mir sinngemäß in einem Interview: „Geben wir doch zu, dass Macron ein Betriebsunfall war. Ein glücklicher zwar, aber dennoch ein Betriebsunfall!“ Stehen uns weitere Betriebsunfälle bevor? Welche, die nicht so glücklich ausgehen?
Fünf mögliche Zukunftsszenarien für europäische Unternehmen in einer neuen Weltordnung.
Die Welt ist im Umbruch und es gilt darauf vorbereitet zu sein. Lesen Sie jetzt unsere Studie dazu.
Ja, wir sind bei Ihnen. Wer denkt schon gern über unangenehme Zukünfte nach? Doch wer dachte am Neujahrsabend 2019/2020 daran, dass die Welt demnächst ein bis zwei Jahre im Lockdown-Jojo verbringen wird? Ab dem Sommer 2021 häuften sich die Pressemeldungen über russische Truppenverstärkungen an der ukrainischen Grenze. Doch wer rechnete fest damit, dass Putin den Befehl zum Einmarsch geben würde? Die allerwenigsten. Und wichtiger noch – wer durchdachte die möglichen Konsequenzen, war auf diese Möglichkeit vorbereitet und schnell handlungsfähig? Hier sticht tatsächlich das ukrainische Militär hervor. Nicht nur war die russische Annexion der Krim und der Einmarsch in den Donbass 2014 als reale Bedrohung eines größeren Kriegs wahrgenommen worden. Die Zeit bis zum 24. Februar 2022 wurde genutzt, um militärische Taktiken zu trainieren, wie trotz massiver militärischer Unterlegenheit, ein russischer Einmarsch so verlustreich wie möglich gestaltet werden kann. Ohne diese Vorbereitung wäre Kiew vielleicht tatsächlich nach wenigen Tagen oder Wochen gefallen, wie Putin sich das erträumt hatte. Im Vergleich mit dem ukrainischen Militär schneiden EU-Wirtschaft und Politik nicht so gut ab. Die Hoffnung starb zuletzt. Und sie starb. Doch können wir daraus lernen und uns eine Scheibe vom ukrainischen Militär abschneiden. Pessimisten im Geiste sein und Optimisten im Willen.
Konturen einer neuen Weltordnung
Denn es sollte auch klar sein: der Ukraine-Krieg wird mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Einzelfall bleiben. Wir wollen damit nicht weitere Kriege prophezeien. Wir halten nichts von Zukunftsforscher:innen, die sich als Propheten gerieren. Wir möchten vor Augen führen, dass der Ukraine-Krieg ein Ergebnis der Verschiebungen der Machtverhältnisse in der Welt ist. Putin hielt „den Westen“ für geschwächt. Wie falsch er mit seiner Einschätzung lag, werden die nächsten Jahrzehnte zeigen. Aber Fakt ist auch, dass der globale Führungsanspruch der westlichen Staatengemeinschaft am Ende des Kalten Kriegs Risse bekommen hat. Lag das GDP (PPP) der heutigen BRICS-Nationen 1991 noch bei 8,4 Billionen US-Dollar, schneidet es heute bei 42,1 Billionen etwa eine Billion höher ab als das der G7. Ende 2016 schlug der Republikaner Ted Cruz im US-Kongress Alarm, dass China auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz drohe, die USA zu überholen und dass dies eine Bedrohung für die nationalen Sicherheitsinteressen der Amerikaner sei. China geht nicht nur auf dem Gebiet der KI mit gewaltigen Schritten voran, es ist heute schon Lieferant von fast 90% der weltweiten Solartechnik und verbot erst neulich die Ausfuhr von Produktionstechnologien für Solaranlagen. Es kontrolliert die größten Reserven für seltene Erden. Indien macht sich gerade erst auf den Weg. Dieses Jahr wird es China als bevölkerungsreichstes Land der Erde ablösen. Indiens GDP (PPP) betrug 1991 gerade einmal 22 Prozent des deutschen und japanischen zusammen. Heute liegt es knapp hinter Deutschland und Japan zusammen. Der indische Außenminister erklärte erst neulich: „Ich wünsche mir nach wie vor eine stärker regelbasierte Welt… Aber wenn man im Namen einer regelbasierten Ordnung dazu gedrängt wird, aufzugeben und Kompromisse in Bezug auf sehr tiefe Interessen einzugehen, dann ist es leider wichtig, dies anzufechten und, wenn nötig, zu verurteilen.” Saudi-Arabien kam im letzten Herbst auf dem Höhepunkt der Energiekrise nicht nur mit der Zustimmung zur Absenkung der OPEC+-Ölförderungen um 2 Millionen Barrel täglich davon, sondern sattelte noch auf, als es erst neulich erklärte, für eine Abwicklung des China-Saudi-Ölgeschäfts in Yuan statt in US-Dollar offen zu sein. Und auch die EU 2023 sieht anders aus als die von vor einem Jahr. Es ist ruhig geworden um die Klagen über die Angriffe auf Rechtsstaatlichkeit in Polen. Und die New York Times konstatierte erst neulich, dass es in Europa eine Machtverschiebung nach Osten gäbe. All das muss noch lange nicht heißen, dass der „globale Süden“ die Welt übernimmt und die EU zerfällt. Doch können wir uns mit den Interessen neuer Player auf der Weltbühne auseinandersetzen und überlegen, welche Optionen wir haben.
Vorbereitet sein…
Für Unternehmen heißt das konkret, eine Bestandsaufnahme zu machen. Wie kann die Welt in 10, 15, 20 Jahren aussehen? Was heißt das für unsere Geschäftsfelder? Wo müssen und können wir Märkte verteidigen, wo ist die Aufgabe eines Markts sinnvoll und wo können wir neue erschließen und schaffen? Welche Ausrichtung geben wir unserer Innovation? Wie können wir das finanzieren? Welche Rohstoff-Abhängigkeiten haben wir und wie können wir sie diversifizieren? Mein Team und ich haben in den letzten 12 Monaten über 30 Expert:innen aus 19 Ländern zu ihrem Blick auf die europäische Wirtschaft befragt. Unter ihnen CEOs, Politiker:innen, Analyst:innen, Sicherheitsexpert:innen. Wir haben in zwei Befragungen im Frühjahr und Herbst den Puls von hunderten Manager:innen in der EU gemessen. Wir veranstalteten mit unserem Beirat und ausgewählten Executives zwei Future Labs. Im November veröffentlichten wir eine erste Analyse zu Europas Wirtschaft in einer neuen Weltordnung. Heute veröffentlichen wir fünf Szenarien für die europäische Wirtschaft. Sinn dieser Szenarien ist es nicht, einen Favoriten zu küren. Vielmehr bilden vier der Szenarien ab, worauf Unternehmen in Europa sich beim Erfolg unterschiedlicher politischer Bestrebungen in der EU einstellen können. In einem fünften, kontrafaktischen, Szenario zeichnen wir die Gemengelage ab, wenn nur wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stünden. Die fünf Entwürfe sind nicht die einzigen Möglichkeiten, aber es sind kohärente Szenarien, die dabei helfen, kritische Fragen darüber zu entwickeln, was wir heute tun müssen. Aus jeder der fünf möglichen Zukünfte, die wir hier vorstellen, können Perspektiven und Handlungsoptionen abgeleitet werden. Ich lade Sie herzlich ein, sich diese Szenarien herunterzuladen: https://themis-foresight.com/szenarien-fuer-europaeische-unternehmen-in-einer-neuen-weltordnung-zukunft/
… und vorbereiten
Doch sollte es beim Lesen, Verstehen und Kritisieren der Szenarios nicht bleiben. Das Prinzip Hoffnung ist trügerisch. Denken Sie noch einmal an das ukrainische Militär zurück. Es hat sieben Jahre für den Ernstfall trainiert. Szenario-Planung in Unternehmen ist nichts anderes. Erst neulich hat IKEA-CEO Jesper Brodin darüber gesprochen, wie schön es früher war, als sich IKEA darauf verlassen konnte, dass die Prognosen fürs nächste Wirtschaftsjahr mit Abweichungen von 0,3% aufgingen. IKEA hat erkannt, dass diese Art von Planung in den stürmischen Gewässern der nächsten Jahre nicht mehr viel wert ist. Anstatt auf Forecasts setzt das Unternehmen auf Szenarien, um dem Geschäft den nötigen Spielraum zu geben, sich auf veränderte Marktgegebenheiten anzupassen. Wir begleiten Unternehmen dabei, unsere Szenarien zu nutzen, zu ergänzen und zu überlegen, was sie für ihre Geschäftsfelder bedeuten und welche Handlungen bei Eintritt erforderlich sind. Wie könnte so ein Projekt aussehen? Erfahren Sie es hier.
Wie das gelingen kann, werden wir mit einer gemischten Gruppe von Executives bei einem Future Lab am 19.04. in Berlin demonstrieren, zu dem wir Sie herzlich einladen. Future Lab: Die europäische Wirtschaft im Umbruch | 19. April | Berlin – Jetzt Tickets für Ihre Führungskräfte sichern.
Wir wünschen eine anregende Lektüre und freuen uns über ihr Feedback,
Jan Berger & Carina Stöttner
Gründer & Geschäftsführer Themis Foresight GmbH