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Eine Quantenvision für Deutschland

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Themis Foresight
30/06/2022

Sie haben sicher in einer Reihe von Medien Artikel zu Quantentechnologien wahrgenommen. Von den Milliarden, die EU und Bundesregierung für die Entwicklung dieser Technologie bereitstellen, bis hin zu Management-Beratungen, die Quantencomputing aus dem Blickwinkel der Optimierung ihres Geschäfts diskutieren. Diese Entwicklung ist erfreulich und selbstredend unterstützen wir sie. Denn Quantensysteme der Zukunft werden eine große Rolle in der Fünften Industriellen Revolution spielen. Und doch wünschen wir uns, dass sich Politik und Wirtschaft eingehender mit den Möglichkeiten befassen, die durch Quantentechnologien erschlossen werden können.

Wer im Quantencomputing lediglich bessere Verschlüsselungstechniken oder die Optimierung von Logistik und Energienetzen sieht, läuft Gefahr, zu kurz zu springen. Wenn das Bundesforschungsministerium die milliardenschwere Förderung der Entwicklung dieser Technologie nur aus dem Blickwinkel betrachtet, dass auch wir in Deutschland in der Lage sein müssen, Quantencomputer herzustellen und Quantenüberlegenheit in den nächsten 5-10 Jahren zu demonstrieren, dann fehlt ihm die Überzeugungskraft, Wirtschaft und Gesellschaft für diese Technologie zu begeistern.

Mit einer Einstellung von „wir können das im Prinzip auch“ erreichen wir nicht die Medaillenränge dieser Weltmeisterschaft. Deshalb argumentieren James Hoefnagels, Tobias Berger und ich in unserem Bericht für eine Quantenvision für Deutschland.

Unseren Bericht können Sie hier kostenfrei downloaden: https://themis-foresight.com/publications/quantenvision-fuer-deutschland/

Schauen wir lediglich aufs eigentliche Computing, dann sehen wir, dass heutige Rechensysteme völlig ineffizient sind. Weltweit verschlingen Rechenoperationen einen Energiebedarf von 114 TWh. Dieser Bedarf soll bis 2030 auf 331 TWh steigen. Und ein durchschnittlicher Supercomputer benötigt in etwa die Energie, die ein durchschnittliches Kohlekraftwerk produzieren kann. Allein durch den Einsatz von Quantencomputing, wie es heute existiert, können 30 TWh Energie eingespart werden – was dem etwaigen jährlichen Energieverbrauch von Marokko, Serbien oder Nigeria entspricht. Würden durch sogenannte Quanten-Annealer nur 8% des weltweiten Verkehrs optimiert, würden die gesamten CO2-Emissionen aller Rechenzentren weltweit kompensiert werden.

Aber das ist gerade einmal der Beginn des gigantischen energetischen Einsparpotenzials. Schon heute wurde in einzelnen Fällen demonstriert, dass der Einsatz von Quantencomputing nur 0,0018 Prozent der Energie eines Großrechners für die identische Operation benötigt. Und diese dann auch noch etwa 1.100 mal schneller absolviert. Aber das ist gerade einmal der Anfang, der die Leistungsfähigkeit solcher neuen Systeme demonstriert. Ein Quantenrechner der Zukunft kann in der Lage sein, keine Wärme mehr bei Rechenoperationen zu erzeugen, so wie es heutige Silizium-Rechner tun. Sind in wenigen Dekaden die Tage vorbei, wo Flüsse umgeleitet werden, um Rechenzentren zu kühlen? Wir hoffen es! Doch auch das wäre noch zu kurz gegriffen. Um die Folgen der Klimakrise nachhaltig einzudämmen, benötigen wir neue Produktionsverfahren, neue Werk- und Wirkstoffe, die es heute noch nicht gibt. Zu ergründen, wie diese hergestellt werden können, erfordert gigantische Rechenleistung und ein Verständnis quantenphysikalischer Prozesse auf molekularer und atomarer Ebene.

Nicht nur die Wissenschaft erhofft sich von diesen neuen Maschinen eine Ausdehnung der Forschung. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, das klimaschädliche Haber-Bosch-Verfahren (1,4% der globalen Emissionen), das weltweit die Zutaten für Dünger liefert, durch klimaneutrale oder gar klimapositive Prozesse abzulösen. Medizinische Wirkstoffe können nicht nur um ein Vielfaches schneller entwickelt werden, mögliche Sackgassen in der Forschung können ausgeschlossen und passgenaue Moleküle für individualisierte Werkstoffe entwickelt werden. Das Quantenrennen ist im vollen Gange. Die Volksrepublik China stellt mit 15 Milliarden Dollar mehr öffentliche Gelder für Quantentechnologien zur Verfügung als die EU (mit 7,2 Mrd.) und die folgenden neun Länder (darunter USA, Japan, Großbritannien, Indien, Russland und Israel) zusammen. Ein Quanteninternet, das sichere weltweite Kommunikation zulässt, kann in ein bis zwei Dekaden Wirklichkeit sein. Vielleicht auch schon früher, wenn wir es mit den frühen Tagen des World Wide Web vergleichen. China scheint in diesem Rennen die Nase vorn zu haben. Mit jeweils 81 Quanten-Startups haben die EU und die USA aber einen deutlichen Vorsprung vor China mit seinen 26. Mit anderen Worten: wir stehen gar nicht schlecht da in diesem Wettbewerb um die Zukunft von Quantensystemen, die Innovation aus dem Feld der Bits auf das Feld der Atome ausdehnt. Aber wenn wir schon gut sind, braucht es mehr Selbstbewusstsein als „auch“ einen Quantenrechner bauen zu können, um in 5-10 Jahren einen Quantenvorteil für praxisrelevante Anwendungen zu demonstrieren. Da ist noch – wie es so schön heißt – „Luft nach oben“.

Wir verstehen unseren Bericht als einen Beitrag zu einer Diskussion, die hoffentlich zu einer guten Quantenvision für Deutschland führt. Lassen Sie ihn sich gern kostenfrei zuschicken.

Ich wünsche Ihnen viele Anregungen beim Lesen!

Ihr

Jan Berger

Themis Foresight GmbH


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